Heute herrschte bis jetzt erst einmal Funkstille zwischen Freimut und mir. Vielleicht lag es ja daran, dass wir gestern einen Disput hatten. Freimut hatte meinen Gartenhelfer von der Arbeit abgelenkt und war ungehalten, weil ich ihn gegenüber Marcel für verrückt erklärt hatte, denn er war mittags wohl nur wegen eines Fotos vorbei gekommen. Tatsächlich war ich wohl nicht sehr freundlich zu Freimut.
Gestern abend brauchte ich Freimut doch noch, um mein Garagentor zu schließen und den roten Corsa auf den Hof zu fahren. Marcel hatte ihn auf der Straße stehen lassen. Danach war er wieder verschwunden.
Freimut hatte mich heute nur einmal mittags versucht anzurufen, ohne dass ich erreichbar war. Seine Erklärung: „Entweder sie doch zur Tagesklinik gefahren oder hat mit anderen Helfern wieder im Garten zu tun“. Er weiß aber, dass ich ihn immer anrufe, falls ich ihn brauche – wenn ich noch dazu in der Lage bin.
Einmal konnte ich nicht mehr telefonieren, weil ich im Garten gestürzt war. Aber die Nachbarn hatten damals meine Hilferufe nicht überhört und riefen sogar den Rettungsdienst. Meist ist Freimut mit dem Rad schneller hier als der ärztliche Notdienst.
Ein anders Mal hatte kamen die Schnelle Hilfe und sogar die Feuerwehr, obwohl ich sie gar nicht brauchte. Familie Schleife aus der Straße hatten die bekannte Nummer angerufen, weil sie mich tagelang nicht mehr gesehen hatten. Sie hatten sich ernsthaft Sorgen um mich gemacht, weil sie nicht wissen konnten, dass ich nach FLOCKYS „Erlösung“ keinen Anlass mehr hatte, unter Schmerzen mit meinem Rollator allein um die Häuser zu ziehen.
Ich war heute nur bis 16 Uhr im Garten. Danach habe ich den Anrufbeantworter abgehört und Freimut dann endlich zurückgerufen. Bei der Gelegenheit habe ich ihm nochmal mitgeteilt, dass ich sein Benehmen gestern unmöglich fand.
Wenn mich meine Helfer im Stich lassen, greife ich in der Not manchmal selbst zu den Arbeitsgeräten, auch wenn es mir schwerfällt. Der Rasenmäher ist garnicht so schlimm … wenn ich nur besser laufen könnte. Manchmal nimmt ihn mir Freimut aus der Hand, wenn er mich gerade dabei erwischt. Er braucht dann nur Minuten, wofür ich Stunden benötige.
Ich habe ihm am Telefon noch mitgeteilt, dass er heute Abend nicht extra kommen braucht. Soll er doch zusehen, woher er die Fotos für sein Buch bekommt. Seine Einkäufe für mich, seine gut gemeinten täglichen tausend kleinen Dinge wie Garagentor öffnen und schließen, Mülltonnen bewegen, ab und zu mal Wäsche aufhängen, Autoumparken oder Sachen in den Keller tragen sind für mich keine Arbeiten nach meinem Tarif. Auch Freimuts seelischer Beistand in allen Lebenslagen und seine guten Ratschläge, auf die ich selten höre, sind für mich keine geldwerten Leistungen. Schließlich bewirte ich ihn ja oft mütterlich bei mir und erwarte dafür auch kein Geld. Anders sehe ich das bei meinem leiblichen Sohn auch nicht, der höchstens zwei Mal im Jahr zu mir kommt. Zu meiner Schwiegertochter ist mein Verhältnis erst recht ziemlich kühl.
Freimuts Freundin Gisela und ich plaudern ganz gern miteinander, wenn er sie ab und zu mitbringt. In Gisela sehe ich ein wenig eine Konkurrenz. Zur Zeit ist sie zwei Wochen im Kururlaub. Ich hätte mir gewünscht, dass Freimut gerade jetzt mehr Zeit für mich hatte, denn irgendwie lege ich doch Wert auf seine seine Gesellschaft.