Mutti Ruthis Tagebuch

Erinnerungen an die ersten 100 Tage
nach meinem 90. Geburtstag

Rückblick auf fünf Jahre ohne Tagebuch

Der letzte Eindruck aus der Zeit vor meinem 90. Geburtstag war, dass mich meine Schwester Marlis angerufen hat, was mich besonders freute. Nach vielen Jahren Funkstille zwischen uns war ich letztens mit Freimut in ihrem Wohnort Glöthe bei Staßfurt, wo wir einen Vetter von mir besucht hatten. Marlis war nicht zu Hause, aber in der Familie hatte sich aber herumgesprochen, dass wir auch meinen Kontakt zu Marlis auffrischen wollten und das zeigte erfreuliche Wirkung.

Freimut, dessen Auto zur Zeit wegen technischer Störungen stillgelegt ist, hat am Samstag mit meinem nun wieder zugelassenen roten Winter-Corsa die letzten Einkäufe für meine Geburtstagsfeier getätigt. Der rote Corsa, der ähnliche Alterserscheinungen wie ich aufweist, war nur zwei Mal stehen geblieben. Trotzdem halte ich seit Jahren an dem Konzept fest, zwei Saison-Corsa zu halten – allein deshalb, weil das eine Auto traditionell Winterreifen und das andere gut erhaltene Sommerreifen hat.

Ich freue mich, dass nun alle meine Geschwister am Montag zum Kaffee kommen wollen. Sie sind zwar alle jünger als ich, aber auch betagte Wegbegleiter. Ich bin davon überzeugt, dass soziale Kontakte im Alter gleichsam wichtig sind wie Medikamente. Und wenn man wie ich mit 90 Jahren viele geliebte Mitmenschen verloren hat, freut man sich über jede Auffrischung alter Beziehungen.

Bei mir ist neben der Kontakte zu meinen Mitmenschen die Liebe zu Tieren stark ausgeprägt. Erst 2019 musste ich den Verlust meiner letzten Katze MAUZI hinnehmen.

MAUZI in ihrem Domizil im Bungalow iim Juni 2019
Ohne meine Telefone wäre ich oft hilflos.

Noch härter traf mich die Einschläferung meines Hundes FLOCKY im Juli, der mich treu begleitet hatte. FLOCKYs Alter, den wir über einen Pflegevertrag aus dem Tierschutz befreit hatten, kannte niemend genau. Die Tierschützer aus Zerbst präsentierten uns nach einigen Jahren die Botschaft, angeblich neue und nachhaltige Interessenten für FLOCKY gefunden zu haben.
Nur meine endlosen Telefonate, Freimuts Schreibtalent und die Unterstützung aus der Verwandschaft konnten diesen Angriff abwehren.

Als wir im Sommer mit FLOCKY zu einem Tierarzt gingen, stellte er uns vor die niederschmetternde Diagnose „Nierenversagen im Endstadium“. Bis heute kann ich die Entscheidung des Tierarztes zur sogenannten „Erlösung“ von FLOCKY nicht verstehen, und mein Schmerz lässt nicht nach. Und oft bilde ich mir ein, FLOCKY könnte noch an meiner sein, wenn er nicht apprupt aus dem Leben gerissen worden wäre.

Mein unvorhersehbarer trauriger Abschied von FLOCKY hat nun auch noch meine Psyche in Mitleidenschaft genommen.

Gern hätte ich an dieser Stelle berichtet, wie sich meine Freunde vom TIERANKER Magdeburg jahrelang um FLOCKY und mich bemüht hatten. Auch würde ich gern thematisieren, wie eng Tierwohl- und Menschengesundheit miteinander verknüpft sind, aber das überlasse ich gern den Fachleuten.

Meine schönen Stunden mit MAUZI und FlOCKY können Sie in meinem Tagebuch Teil I nachlesen, das Sie nachträglich bestellen können.

Mir selbst fehlen meine Tiere heute sehr und ich leide darunter, nur noch mit Menschen verkehren zu können. Auf meinem Gartengrundstück pflege ich seit Jahren die Gräber meiner Katzen und Tiere, die mich verlassen mussten.

Zwar bin ich schon länger manchmal an der Grenze meiner nervlichen Belastbarkeit, aber diesmal konnte ich meine Hausärztin motivieren, mir seelischen Beistand zu holen. Sicher können Sie am 10. Oktober hier nachlesen, ob mich meine neue psychotherapeutische Therapeutin, Frau Waldert beruhigen konnte und welcher Weg einer Therapie sich daraus ableiten kann.

Durch die seelische Belastung und die damit einhergehenden allgemeinen gesundheitlichen Einschränkungen wurde mir bereits die Inanspruchnahme einer wöchentlichen Betreuung in verschiedenen Tagesklinken testweise angeboten. Ich war jedoch bisher noch nicht restlos überzeugt, vor allem, weil ich zu Hause wohnen und hier aktiv bleiben will.

Noch vor meinem Geburtstag machte ich Bekanntschaft mit den Mitarbeitenden von SILKES AMBULANTEN PFLEGEDIENST, der auch die SENIORAT-Tagesklinik in Magdeburg-Olvenstedt betreibt.

Meine neue Augenarztpraxis in der Ebendorfer Chaussee hatte neben einem bunten Befund des Augenzentrums Leiterstraße die Vermutung angestellt, dass nur ein Teil meiner vorrätigen Augentropfendosis zielsicher dort ankommt wo sie hingehört. Seit dem bekomme ich zweimal täglich Besuch, zum fachgerechten Träufeln der Augentropfen.

Nun könnte die Frage aufkommen, warum Freimut das nicht auch noch erledigen könnte. Aber tatsächlich ist Freimut als mein persönlich Betreuender schon an den Grenzen seines Zeitbudgets, zumal er ja immer noch als selbstständiger Rentner ein Wirtschaftsmagazin im Internet pflegt und nun auch noch dieses Tagebuch begonnen hat, tagaktuell zu führen.

Allerdings hat SILKES AMBULANTER PFLEGEDIENST schon die Frage formuliert, ob sie nicht auch die Tablettenverabreichung übernehmen könnten, dann sie eh zweimal täglich kommen. Aber hier hat Freimut gebremst, denn zum Medikamentenmanagement gehören auch das sonntägliche Auffüllen der Tablettenbox, die Lagerverwaltung und die Anforderung neuer Rezepte bei der Hausärztin bis zum Apothekenservice, wenn die Vorräte abnehmen.

Hinsichtlich meiner Krankheiten der letzten fünf Jahre kann ich berichten, dass sich zumindest mein zentrales Problem der Spinalkanalstenose etwas entschärft hat. Sowohl mein langjähriger Neurochirurg Dr. Minda als auch die Orthopädin Frau Dr. Meiler vom Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) am Uniplatz hatten nach Auswertung mehrfacher MRT-Bilder die Prognose geteilt, dass mein schmerzhaftes Leiden theoretisch erfolgreich durch eine OP behandelt werden könnte. Doch beide waren sich einig in der Einschätzung, dass in meinem Falle altersbedingt von einer Operation abgeraten werden müsse. Eigentlich schade für das Klinikum Magdeburg, denn das MVZ ist eigentlich eine Außenstelle des Olvenstedter Krankenhauses.

Ein anderes MVZ am Magdeburger Kroatenweg brachte eine Linderung meiner Symptome. Hier behandelte mich Frau Dr. Oeding, eine erfahrene Schmerztherapeutin. Schrittweise optimierte sie Auswahl und Dosierung verschiedener schmerzbehandelnder Präparate. Nach mehreren Terminen über einige Monate legte sich Frau Dr. Oeding auf die langfristige Verordnung von Morphin fest, das zwar dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) unterliegt, aber bald etwas Wirkung zeigte.

Noch heute darf Morphin nicht per E-Rezept verschrieben werden, Minister Lauterbach weiß sicher, warum. Das-BTM-Mediakament Morphin („Gelbes Rezept“) zog die ergänzende Behandlung mit einem zweiten Mittel (Pregabalin) zur Einschränkung des unerwünschten Transports der Beschwerden von der Schmerzquelle in andere Bereiche des Körpers über das Nervensystems.

Die möglichen Nebenwirkungen einer unstabilen Verdauung durch Morphin soll ein Pulver einschränken, um Probleme beim Stuhlgang auszuschließen.

Soweit ich zurückdenken kann, waren meine Herzbeschwerden immer wieder ein Anlass für das Aufsuchen eines Internisten. Das Herzzentrum Magdeburg in der Magdeburger Gerhart-Hauptmann-Straße konnte mir manchmal nicht ersparen, tagelang mit EKG-Diagnosegeräten herumzulaufen. Aber eigentlich blieb die Therapie immer wieder bei der täglichen Einnahme von RamiLich. Der Wirkstoff Ramipril aus der Klasse der ACE-Inhibitoren wird zur Behandlung von Bluthochdruck, Herzschwäche und zur Vorbeugung weiterer kardiologischer Erkrankungen eingesetzt – findet man im Internet. Hin und wieder glaube ich dennoch Herzschmerzen zu haben.

In letzter Zeit habe ich Kardiologische Praxis von Dr. Smid nur noch aufgesucht, wenn mein gesundheitlicher Gesamtzustand durch aufregende Ereignisse beeinträchtigt wurde und ich Schmerzen in der Herzregion verspüre. Vielleicht hilft mir ja die angebahnte seelische Fürsorge von Dipl.-Psychologin Heidi Waldert, meine psychischen Sorgen besser zu verarbeiten, damit mein Herz nicht mehr so oft angegriffen wird. Doch die Lage der Praxis in der Bölschestraße am Hasselbachplatz wird sicher eine neue Herausforderung für den JOHANNITER-Fahrdienst.

Seit Jahren bin ich Patientin beim Urologen Dr. Reuner in der Magdeburger Neustadt. Hier gab es in den letzten keine überraschenden, unerwünschten Befunde. So hilft mir die tägliche Einnahme von Spasmolyt (früher Spasmex).

Meine Zähne sind wie ich nicht mehr ganz neu. Doch immer, wenn ich dentale Sorgen habe, greift Frau Dr. Goldstein aus der Schäfferstraße weitestgehend schmerzvoll ein. Ich achte selbst bei der Auswahl des Brotes beim Einkauf darauf, dass meine Zähne und mein Zahnersatz möglichst unversehrt bleiben. Und die Zahnpflege vernachlässige ich auch nicht. Trotzdem bin ich sicher, dass ich bei Not Hilfe erwarten kann.

Regelmäßige Blutbilder bei meiner Hausärztin Frau Dr. Primus haben auch dazu geführt, meinen Vitaminspiegel zu überwachen. Die Schlussfolgerungen der Ergebnisse ist, dass ich immer wieder sonntags eine Vitamintablette Dekristol vernasche, die mir ursprünglich mein Professor Möhricke aus der Osteopathiepraxis verschrieben hatte. Jetzt macht das meine Hausärztin. Zusätzlich verpassen mir die Schwestern von Frau Dr. Primus monatlich eine Vitamin-B 12-Spritze, auf die ich selbst großen Wert lege. Wenn die Praxis Dr. Primus Urlaub hat oder sich die Verabreichung meiner Spritzen aus anderen Gründen verzögert, werde ich machmal unruhig. Zukünftig will das Team von SILKES AMBULANTEN Pflegedienst das Spritzen in häuslicher Umgebung übernehmen. Da liegt wohl daran, dass eine komplexe Pflegefürsorge für die Dienstleisterin attraktiver ist als nur das Augentropfen.

Manchmal habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich trotz meiner Handicaps und der finanziellen Unterstützung durch meine Pflegekasse für meine Entlastung noch so aktiv bin. Aber einerseits bin ich auf die Leistungen angewiesen, andererseits kann ich meinen persönlichen Arbeitseinsätze in Haus und Garten so dosieren, wie es mein Körper verkraftet. In meinem Umfeld gibt es genügend Plätze, wo ich mich von getaner Arbeit erholen kann.

Foto: Archiv Freimut Hengst

Immer wieder gönne ich mir Ruhepausen oder rufe meine Hilfskräfte an, die mir ohne finanzielle Belastung der Pflegekasse für besondere Aufgaben zur Seite stehen.

Bei Projekten wie Heckeschneiden, Rasenmähen oder Umgraben verlasse ich mich gern auf die tatkräftige Unterstützung hilfsbereiter Nachbarn oder meiner privater Aushilfskräfte. Für den privat organisierten stundenweisen Einsatz von Helferinnen und Helfern in Haus und Garten wäre ich ohne mein Handy nicht handlungsfähig. Von meinem Küchentisch oder von der Terrasse aus koordiniere ich die Einsätze. Dabei muss ich viele der nötigen Arbeiten, die ich selber nicht mehr bewerkstelligen kann, koordinieren.

Bei der Suche nach helfenden Menschen musste ich immer einige Probleme hinnehmen. Manche Helfer kamen nach dem zweiten Arbeitseinsatz nicht wieder, andere waren nicht mit Zuverlässigkeit gesegnet. Geholfen hat mir dabei das Projekt NACHBARSCHAFTSHILFE von PiA. Die Gesellschaft für Prävention im Alter (PiA) e.V. setzt sich als gemeinnütziger Verein seit 2005 vorrangig für die Belange von älteren Menschen ein und fördert das gesunde Altwerden im eignen häuslichen Umfeld.

Rückblickend auf die vergangenen Jahre glaube ich, dass ich mit meiner Pflegestufe 3 nicht nur eine Belastung für meine Begleiter bin. Ich denke auch, dass das von meiner AOK verwaltete Budget für die Gesundheitsdienstleister attraktiv ist und spüre mit Freude, dass man sich für mich interessiert.