Langsam lassen die Nachwirkungen der Anstrengungen zu meinem Geburtstag nach – aber nur langsam. Denn ich mache mir immer noch Gedanken, was ich alles falsch gemacht haben könnte. Zum Beispiel musste ich meine Rolladen wieder einfrieren, die ich zum Geburtstag für ausgewählte späte Gäste vorbereitet hatte.
Aber der heutige Tag war der Tag meines ersten Besuchs bei der Psychotherapeutin Heidi Waldert. Hier durfte mir kein Fehler unterlaufen. Es war eigentlich kein Therapietermin, sondern eher ein Treffen zum gegenseitigen Kennenlernen. Politiker würden das ein Sondierungsgespräch nennen.
Nachdem mich meine Johanniter pünktlich abgeliefert hatten, stand ich erst einmal vor einem großen Haus. Frau Waldert holte mich draußen ab und begleitete mich über den Fahrstuhl in die Etage ihrer Praxis. Das Gespräch mit einigen Fragen – die ich gern beantwortete – war angenehm. Es lief darauf hinaus, dass Frau Waldert meinte, ich sei nicht psychisch krank, sondern nur überlastet und immer noch durch den Tod von FLOCKY in Trauerschmerz.
Wahrscheinlich hat sie es sonst nur mit Verrückten zu tun …
Der Gedankenaustausch mündete in der Ausfüllung eines Formulars für meine Hausärztin, das ich in Kopie erhielt. Freimut hat einige Passagen abfotografiert, die mich schon wieder aufregten. Die Auflösung des Rätsels folgt gleich.
Das Resultat des Kurzgutachtens kam mir bekannt vor: „Es wurde der Patientin dringend nahegelegt, sich zu einer grundlegenden Veränderung der Lebensumstände (Betreutes Wohnen, Pflegeeinrichtung etc.) zu entscheiden, was letztlich auch zur angesprochenen Trauerbewältigung beitragen könnte.“
Meine Meinung: Entweder meine Hausärztin, die mir solch einen Weg schon ewig ans Herz legt, hat ihren Wunsch schon auf die Überweisung geschrieben, oder aber alle Ärzte und Therapeuthen wollen nur, dass alte Leute ins Heim gehen. Vielleicht ist das sogar eine Vorgabe des Gesundheitsministeriums, weil wohlabende Rentner wie ich den Heimplatz selbst bezahlen müssen.
Der Nachmittag brachte mir wieder den gewohnten Alltag. Heute besuchte mich meine aktuelle Hauswirtschaftshelferin Annette, die wie immer nicht viel Zeit hatte. Aber dafür fand sie noch die Gelegenheit, den Eindruck meiner Blumengeschenke fotografisch zu dokumentieren und hat das Foto von meinem Handy gleich an Freimut geschickt.
Annette ist nicht die erste Mitarbeiterin, die ihren Einsatz bei mir über die Nachbarschaftshilfe von PiA (Prävention im Alter) finanziert. Das entlastet auch mich und deshalb bevorzuge ich dieses Modell für ein unterstütztes Leben zu Hause – anstelle einer Delegierung ins Altenheim.
Schade, dass Frau Jahn von PiA noch nicht bei Freimut zurückgerufen hat. PiA sieht das sicher ähnlich. Freimut hat vor, den Verein mit seinen Möglichkeiten medienwirksam unterstützen.
Als ich heute mit den JOHANNITERN wegfuhr, hat der Müllberg noch vor dem Haus gestanden. Nachmittags war er verschwunden.
Der Rest des Tages war wieder etwas entspannter im Vergleich zur letzten Woche mit den ganzen Vorbereitungen zum Geburtstag.
Abends kam Freimut kurz vorbei. Er bekam noch etwas zu Essen bei mir, nachdem er den ganzen Tag gearbeitet hatte – nicht nur an „Ruthis Tagebuch“. Obwohl es schon spät war konnte er mich nicht davon abhalten, in der Dunkelheit und bei Regen noch mal zu meinem Tierfriedhof zu gehen. Ich musste wie jeden Abend noch die Lichter auf FOCKYs Grab anzünden. Frau Böker vom TIERANKER hat mich auch darin bestätigt daran zu glauben, dass tote Tiere auf der Regenbogenbrücke weiterleben
Bei dem Weg in den Garten oder in den Keller brauche ich immer Licht. Ohne meine LED-Lampe wäre ich oft hilflos – wie auch ohne meine beleuchtete Lupe in der Küche, die ich vor allem für die vielen Formulare benötige. Auch das ermöglicht mir mein eigenständiges Leben in Haus und Garten.
Die AOK und ich haben übrigens entschieden, dass ich für Freimut eine Vollmacht unterschreibe. Dann kann er künftig den Schriftwechsel mit meiner Pflegekasse führen. Aber die Post von der AOK soll auch zukünftig in meinen Briefkasten landen. Und in die finanziellen Angelegenheiten braucht sich Freimut auch nicht einmischen – das war mein Wunsch.